Kajütengespräch mit Michael Piest

Ahoi und herzlich willkommen zu einem inspirierenden Kajütengespräch mit Michael Piest!

„Von der Vision zur Wirklichkeit: Die transformative Reise eines Geschäftsführers“ – Taucht ein in die faszinierende Welt von Michael Piest, einem Pionier der modernen Unternehmensführung.

In diesem exklusiven Kajütengespräch mit dem Neue Hanse Business Club, teilt Michael Piest nicht nur seinen beruflichen Weg, sondern auch die tiefgreifenden Veränderungen, die er als Geschäftsführer in der Finanz- und Gesundheitsbranche angestoßen hat.

Entdeckt, wie Michael mit Leidenschaft für Digitalisierung und einer demokratischen Führungskultur ein traditionelles Unternehmen in ein zukunftsorientiertes Vorbild verwandelt hat. Lasst euch inspirieren von seinen Einblicken in Fehlerkultur, Mitarbeiterentwicklung und Innovationsgeist.

Tranksribiertes Kajütengespräch mit Michael Piest:

Ahoi und herzlich willkommen bei den Kajütengesprächen des Neue Hanse Business Clubs. Mein Name ist Doris Stegemann und zusammen mit Canan Ramrath unterhalten wir uns mit Michael Piest über seinen Werdegang, seine jetzige Position und seine Auffassung zu den Themen „Mitarbeitende, Marketing und Nachhaltigkeit“.

Also, rein in die Kajüte und los geht’s!

Canan:

Lieber Michael, schön, dass du heute bei uns im Kajütengespräch bist. Ich freue mich sehr auf unser Interview und dass die Zuhörenden viel Spannendes über dich erfahren. Michael Piest, erzähl uns doch, wer bist du und wie bist du an den heutigen Punkt gekommen?

Michael:

Ja, vielen Dank für die Einladung. Hallo, ihr beiden. Ich freue mich sehr, hier zu sein und über den netten Austausch. Ein spannendes Konzept der Neue Hanse Business Club. Ich freue mich, kurz mal etwas über meine Geschichte zu erzählen, über die wir schon vorher gesprochen haben. 

Ich habe ganz in der Nähe von Münster Wirtschaftsinformatik studiert und hab danach den Weg in die Beratung gefunden, auch während des Studiums noch ein Unternehmen gegründet, also ein bisschen Unternehmerluft geschnuppert, und fand das ganz spannend. Ich wollte es dann aber bei den Großen sehen, wie man Changemanagement macht, wie man sich um neue Themen kümmert und wie diese im Konzern integriert werden können, und bin dann eben in die Beratung gegangen. Das habe ich knapp 10 Jahre lang gemacht und in verschiedenen Unternehmen in verschiedenen Rollen gearbeitet. Dabei habe ich sehr viele Branchen kennengelernt und ganz spannende Einblicke auch in die Finanzindustrie gewonnen, vor allem auch über Jahre in der Automobilindustrie in Wolfsburg und anderen wichtigen Städten aus dieser Branche. Wir haben dann irgendwann den ersten Sohn bekommen und ich habe gemerkt, dass das Beraterleben doch nicht alles ist und man für ein richtiges Familienleben zu viel unterwegs ist. Und dann habe ich den Weg „in die Linie“ gefunden, wie man so schön sagt, bei einem größeren Finanzkonzern in Essen und hab dort im Endeffekt aber das gleiche gemacht wie vorher auch, praktisch Beraterleben, Changemanagementprojekte usw. Dieses Thema an sich hat mich schon während des Studiums begeistert: wie man Menschen mitnimmt, wie man neue Themen vorantreibt, aber eben auch im Unternehmen in der Organisation unterbringt. Und so bin ich dann auch in verschiedenen Stationen in der Linie unterwegs gewesen, war dann Geschäftsführer hier in Münster in einem Unternehmen für ein gutes Jahr und bin jetzt seit gut drei Jahren Geschäftsführer in Hannover bei der Arni. Das ist ein Unternehmen für Factoring und Abrechnungsdienstleistungen in erster Linie für Physiotherapeuten, also wieder eine etwas andere Branche, aber ziemlich spannend. Das ist dann so ein Gemenge aus der Finanzindustrie und dem Gesundheitswesen, beides extrem reguliert, mit sehr vielen Möglichkeiten zu optimieren und sich weiterzuentwickeln. Und das war eben die Herausforderung im Unternehmen. Dieses habe ich im Rahmen eines Generationswechsels von dem Geschäftsführer übernommen, der um die 80 Jahre alt war und dann in die wohlverdiente Rente gewechselt ist. Dieser Generationswechsel war bei dem Unternehmen auch dringend nötig. Digitalisierung als Kerntreiber für Veränderungsprozesse, das war und ist das Thema der letzten drei Jahre und das Unternehmen hat sich wirklich hervorragend entwickelt, die Mitarbeitenden haben das ganz großartig aufgenommen. Entgegen allen Klischees und aller Sorgen, die dann immer genannt werden, haben sie unheimlich gut mitgemacht und sind wirklich über sich selbst hinausgewachsen. Das war einfach eine tolle Geschichte und man sieht immer noch jeden Monat Fortschritte und eine Entwicklung zu einer – einer der Mitarbeitenden nannte das mal so – „demokratischen Führungskultur“, eben mit deutlicher Involvierung aller Mitarbeitenden, nicht nur in die Erfolge, sondern auch in die Strategie und die Weiterentwicklung des Unternehmens. Und da stehe ich jetzt gerade und plane, das auch die nächsten Jahre noch zu machen, weil es einfach noch lange nicht da ist, wo ich das Unternehmen hinhaben möchte. Deswegen bin ich auch da auf einer Reise und mit sehr viel Spaß und Engagement dabei.

Canan:

Das ist eine spannende Reise, die du bisher erlebt hast in deinem Leben. Du hast als Mensch der Zahlen angefangen und hast dich zu der Position, in der du jetzt bist, hingearbeitet und verbindest als Geschäftsführer in dem Unternehmen, in dem du tätig bist, vielerlei Aufgabenbereiche. Ein Geschäftsführer hat ja nicht nur die Zahlen im Sinn, sondern auch die Mitarbeitenden und den Ist-Zustand des Unternehmens. Als wir uns kennengelernt haben, hatte ich dich gefragt, in welcher Situation das Unternehmen war, als du es übernommen hast, welche Visionen du entwickelt hast und wohin die Reise geht?

Michael:

Ich versuche das einmal auf den Punkt zu bringen. Das ist ein relativ vielschichtiges Thema oder das war eine komplexe Situation. Ich hatte ja schon den Generationswechsel angesprochen. Das ist natürlich nicht nur rein altersbedingt betrachtet, sondern auch mit Bezug auf Digitalisierung und Veränderungsprozesse. Beides gab es nicht wirklich und es wurde alles so gehalten, wie es war. Auch die Leute wurden in den Positionen gehalten, in denen sie waren. Es gab wenig Entwicklungsmöglichkeiten und es war ein extrem direktiverFührungsstil. Das war in meinen Augen und auch in den Augen der meisten Gesellschafter des Unternehmens nicht zukunftsorientiert und deswegen gab es diesen Wechsel, der mit sehr vielen Aufgaben verbunden war, die anzugehen waren. Allen voran die Weiterentwicklung der Mitarbeitenden im Sinne moderner Technologien und im Sinne einer modernen Führung, um eine Diskussion aller Themen zu ermöglichen und wegzukommen von dieser Null-Fehler-Kultur. Man macht Fehler, man darf Fehler machen, man lernt aus Fehlern und ein Unternehmen, was das nicht toleriert, wird es unglaublich schwer haben am Markt, auch wenn man in der Finanzwelt ist oder gerade deswegen. Bei der ganzen Regulierung und den ganzen Auflagen ist es unglaublich wichtig, trotzdem in so einer Art gesundem Menschenverstand zu bleiben und mit den Leuten auf Augenhöhe sprechen zu können und nicht zu sagen, das ist jetzt so, das wird zu 100 % so gemacht, sondern Dinge zu hinterfragen und zu überlegen, wie man sie besser machen kann. Das hat ewig gedauert. Jetzt nach drei Jahren sind die Leute langsam da, wo sie sein sollen, was die Diskussionskultur angeht. Das ist einfach etwas, was das erste halbe Jahr fast gar nicht spürbar war, aber da muss man halt dranbleiben und immer weiter der neuen Idee folgen, diese vor allem auch vorleben. Und dann nach so ungefähr einem Jahr merkte man die ersten gravierenderen Wechsel und Umdenkprozesse. Jetzt sind wir so weit, dass man sagen kann, es ist ein modernes Unternehmen mit ganz vielen Dingen, die wir für die Mitarbeitenden tun, und ganz vielen Diskussionen, die unter den Mitarbeitenden funktionieren. Also, das ist wirklich sehr, sehr schön zu sehen.

Doris:

Das hört sich sehr lebendig an. Definitiv. Das ist total toll. 

Du hast das Thema Fehlerkultur angesprochen und tatsächlich ist das ein ganz wichtiger Faktor zu sagen: Hurra, wir haben einen Fehler – komm wir lernen daraus!” 

Du hast vorhin erzählt, dass es vorher eine sehr restriktive Führung gab und ihr jetzt eine demokratische Führungskultur habt. Die Themen Fehlerkultur und Diskussionskultur zielen ja genau darauf hin. Erklär doch mal, was du genau unter einer demokratischen Führungskultur verstehst. Was lebt ihr gerade?

Michael:

Ganz wesentlich ist das Thema “Fragen stellen”. Das heißt, es war lange Zeit üblich, in den Teamrunden einen Monolog zu führen. Die Leute haben das dann irgendwie interpretiert, aber nicht kommentiert. Das heißt, es gab viel Missinterpretationen. Jeder hat seine eigene Welt, aus der er kommt und aus der er denkt. Dadurch gab es viele Missverständnisse. Es gab auch keine Diskussionen. So ein Geschäftsführer ist halt nicht im operativen Geschäft unterwegs und versteht von den ganzen operativen Problemchen auch nicht viel, wie zum Beispiel bei so banalen Prozessen wie der Abrechnung. Im Endeffekt sind es dann doch die regulatorischen Auswirkungen, die zu beachten sind. Das kann man mal einfach in einer Mail kommunizieren, aber das zu leben, ist eine ganz andere Geschichte und welche Herausforderungen das mit sich bringt, das geht nur per Diskussion, um darüber zu kommunizieren und zu informieren. Das ist das, was sich über die Zeit dann etablieren musste. Als die Leute merkten: Hey, ich habe jetzt gerade etwas gesagt, ich habe irgendwie eine Reaktion gezeigt, ich wurde gerade nicht geköpft dafür, sondern das war eine schöne Diskussion und am Ende konnte ich etwas beitragen!”, das war schön zu sehen, dass die Leute das dann auch irgendwann aufgenommen haben. Aber wie schon gesagt, das ist ein Prozess, der wirklich sehr lange dauert, wenn man so verkrustete Strukturen hat, die dann halt langsam erstmal aufweichen müssen. Demokratischer Führungsstil ist für mich die Diskussion in solchen Teamrunden. Das heißt, man wahrt trotzdem eine Struktur und man hat irgendwie eine Reihenfolge, wie man Dinge durchspricht. Man hat bestimmte Leitfragen, die einen beschäftigen. Das ist alles in Ordnung. Es gibt die Agenda, aber trotzdem kann jeder etwas zu den Themen sagen und auch kritisch seine Meinung äußern. Das wird dann nicht bestraft.

Doris:

Ohne dann mit dem Kopf unterm Arm durch die Gegend laufen zu dürfen. Das ist schon mal ein ganz wichtiger Faktor. Du sagtest das vorhin, der Austausch auf Augenhöhe, das ist ja auch ein ganz wichtiger Faktor dabei. Das funktioniert natürlich extrem gut, wenn man sich auf einer Ebene begegnet, um miteinander konstruktiv an dem Fortbringen des Unternehmens zu arbeiten.

Du sagtest vorhin, du hast das Unternehmen von einem anderen System her begonnen zu leiten. Diese Veränderung hat ewig gebraucht. Also, drei Jahre finde ich jetzt nicht ewig, aber es ist schon ein ziemlicher Kraftakt. Das finde ich total gut. Du hast Changemanagement betrieben und hast mit diesem System Arni übernommen. 

Für viele Unternehmen ist es schwierig, Mitarbeitende zu bekommen, sich nachhaltig aufzustellen und auch eine nachhaltige Mitarbeiterplanung zu machen. Beim Thema Nachhaltigkeit geht es ja nicht nur um einen schönen grünen Fußabdruck, sondern ganz klar auch um die Menschlichkeit, die Menschen selber, die Fortbildung der Mitarbeitenden und darum, nachhaltig so zu planen, dass das Unternehmen bei Wegfall von Mitarbeitenden – die sich natürlich auch trotz des guten Klimas innerhalb des Unternehmens manchmal umorientieren – reibungslos weiterläuft.

Was meinst du, woran es liegt, dass viele Unternehmen sehr stark hadern, überhaupt die Themen “Mitarbeitende binden” und “Mitarbeitende finden” unter einen Hut zu kriegen?

Michael:

Das ist tatsächlich ziemlich spannend als Aufgabenstellung für Unternehmen. Ich glaube, bei Konzernen ist das oft so, weil man sehr viele verschiedene Ressourcen hat, die nicht gemeinsam denken, dass da das Interesse der Finanzen durchschlägt, also man darf die gleiche Rolle nicht doppelt besetzen. Es ist ja nur eine Rolle, warum sollte man das doppelt besetzen? Das ignoriert dann die Perspektive der HR, die die Personalabteilung verstehen würde. Ich muss doch eine Übergabe machen, bis ein Mitarbeiter von 0 auf 100 läuft. Das dauert Wochen, wenn nicht Monate. Natürlich hat man in dem Moment eine Doppelbelastung oder man hat eben eine große Wissenslücke. Das sind so diese Denkweisen, die im Konzern oft getrennt werden, die aber zusammen sein müssen. Und da hatten wir das Glück, dass wir von der Unternehmensquote so sind, dass wir mit einem oder zeitweise zwei Geschäftsführern unterwegs sind. Jetzt in letzter Zeit eben mit zwei Geschäftsführern aufgrund von Bafin-Regulierung, dass man zwei Geschäftsführer braucht. Aber vor drei Jahren war das noch so, dass der Senior für einige Zeit noch mit im Boot war und das Ganze dann langsam übergeben hat, aber auch genau das war notwendig. Man hätte natürlich Geld gespart, wenn es nur einen Geschäftsführer gegeben hätte, dann hätte es aber keine so qualitative Übergabe gegeben und das ist eines der vielen Themen, die eine gute Unternehmensführung und eine gute Mitarbeiterzufriedenheit begünstigen, wenn man solche Dinge verstanden hat. Genauso mit Benefiz bei irgendwelchen Ausstattungen von Mitarbeitenden. Es ist ein Witz, dass zum Beispiel niemand ein MacBook bekommt, wenn man ins Verhältnis zu den Kosten setzt, die ein Mitarbeiterwechsel verursacht. Nicht nur direkt, sondern auch in unzufriedenen Kunden, in nicht funktionierenden Prozessen oder sonstigen Fehlern. Ja, das kostet dann 2.000 Euro in einer speziellen Ausbaustufe, aber wenn  der Mitarbeitende das wertschätzt und das für ihn etwas Wichtiges ist, dann ist es eine gute Investition, denn die Alternative ist, dass man viele tausende Euro für Headhunter und sonst etwas investieren muss. Und diese Zusammenhänge ignorieren einfach viele Unternehmen. Das ist zumindest meine Erklärung, warum das so oft nicht funktioniert und wie gesagt, da hatten wir echt Glück, dass wir das so entscheiden und machen konnten. Und das hatten wir wirklich sehr oft bei Neueinstellungen, weil wir als Unternehmen halt wachsen wollen und ständig Mitarbeitende suchen und einstellen. Es gab einmal eine Situation, da ist eine Dame ausgeschieden und zu ihrer Familie zurückgegangen, sozusagen aus der Arbeitswelt wieder ausgeschieden. Da hatten wir das so für sie organisiert, dass sie fast zwei Monate Übergangsphase zu der Nachfolgerin hatte. Diese war völlig baff, dass sie vernünftig eingearbeitet wurde. “Wie, es ist noch jemand da, der meine Rolle vorher hatte? Das habe ich ja noch nie gehabt.” Das war für alle Beteiligten einfach eine großartige Situation und einfach eine schöne saubere Übergabe. Sowohl die neue Kollegin als auch die ehemalige Kollegin sind uns beide noch sehr positiv zugetan. Das heißt, wenn die ehemalige Kollegin irgendwann mal wieder in die Arbeitswelt einsteigen wird, dann wird sie sicherlich an unserer Tür zuerst klopfen. Das ist für alle Beteiligten schön.

Doris:

Sehr schön. Das ist Mitarbeiterbindung auf dem höchsten Niveau, würde ich sagen, wenn die Mitarbeitenden wieder zurückkommen, wenn sie sich dann doch noch für eine andere Lebensphase entschieden haben. Sehr toll. Ich finde das total spannend, weil du grundsätzlich echt so ein bisschen das Unternehmen gedreht hast innerhalb der Mitarbeitendenkultur. 

Du hast jetzt die Unternehmenskultur und die Marke Arni an sich und natürlich auch ein Image innerhalb des Unternehmens aufgebaut. Das ist, wenn man das so umschreibt, ja schon so ein kleines Marketingthema. Was meinst du, was aus deiner Sicht das Unternehmensimage ausmacht, auch im Hinblick auf die Suche nach neuen Mitarbeitenden und vor allen Dingen auch beim Halten von Mitarbeitenden, damit andere Unternehmen dieses Thema reflektieren können.

Michael:

Das Image ist schon sehr wichtig, das sieht man natürlich an den großen Unternehmen, die ein tolles Image haben, wo alle arbeiten wollen – Porsche, Google usw. – die haben halt alle ihre Dinge, die in den Köpfen der Leute sind. So kleinere Unternehmen wie der Arni haben natürlich keine Chance, an so ein Markenimage zu kommen. Hier, finde ich, ist eben die lokale Marke viel wichtiger, dass man in der Region, wo eben die Mitarbeiter direkt herkommen optimalerweise, ein gutes Bild vermittelt und präsent ist in Vereinigungen und Organisationen. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt und dass die Mitarbeiter das Unternehmen auch positiv verkörpern. Das ist genau das, was man vorlebt. Was diese demokratische Führung in meinen Augen auch begünstigt ist, dass die Leute wirklich das Unternehmen mögen, dafür brennen und das entsprechend auch ihren Verwandten und Bekannten ans Herz legen. Das sieht man halt entsprechend an sehr viel Weiterempfehlungen. “Hey, ich da noch eine Freundin, die fand das total spannend, was wir hier machen. Sie sucht da noch was und kannst du mit ihr nicht mal sprechen?” Wenn sowas regelmäßig kommt, dann ist das für mich nur ein gutes Zeichen, dass es nach außen hin auch funktioniert.

Doris:

Optimales Marketing per Vitamin B, um neue Mitarbeitende zu bekommen. Perfekt. Super. Canan, möchtest du noch etwas fragen?

Canan:

Es ist ja so, dass du in deiner Rolle heute unheimlich viele Ideen in den letzten Jahren in das Unternehmen hineingebracht hast. Du bist ja auch an Wissen gewachsen und die Methoden, die du angewendet hast oder noch anwenden wirst, um das Unternehmen voranzubringen, das ist eine ganze Menge. Woher holst du dir deine Ideen für die Methoden und Veränderungen in deinem Unternehmen?

Michael:

Das sind ganz oft Dinge, die ich in meiner Karriere gesehen habe, die nicht funktioniert haben. Das heißt, irgendwelche Beziehungen auf Managementebene, sei es, wie gerade schon gesagt, diese Trennung organisatorischer Funktionen, die eigentlich eng zusammen arbeiten und zusammen denken müssen. Oder sei es auch, ich sag mal, wenn es zwischen den Mitarbeitenden menschelt. Das sind alles so Erfahrungen, die man dann sehr schnell wieder vor Augen hat, wenn dann solche Situationen im Unternehmen sichtbar werden. Es gibt natürlich diverse betriebswirtschaftliche Rahmenwerke, um natürlich den Wunsch im Unternehmen wachsen zu lassen, wenn die Gesellschafter zu Wort kommen und das gibt natürlich grob die Richtung vor. Man sucht sich dann natürlich im Marketing Möglichkeiten, wie man sich platzieren kann und findet eine Marke dann eben auch wieder. Das ist wieder ein sehr vielschichtiges Thema. Wir haben das Unternehmen sehr stark über Kooperationen nach vorne bringen können. Das kommt in dieser Branche auch eher häufiger vor.

Canan:

Was heißt das genau? Kooperation?

Michael:

Dass man mit verschiedenen Playern im Markt zusammenspielt. Sei es über eine gegenseitige Provision für Vermittlung von Kunden, sei es einfach nur aus Nettigkeit, weil man sich sympathisch ist, weil man gegenseitig die Produkte schätzt und dann gab’s diverse, die dann, wie auch wir, angefragt haben: “Hey, wir sehen die Arni verändert sich gerade. Das wird ein moderneres Unternehmen. Ihr habt technisch eine ganze Menge an Basis geschaffen, die notwendig ist, damit wir zusammenarbeiten können. Sollen wir uns jetzt mal konkret ausdenken, wie wir uns gegenseitig unterstützen können?” Das waren irgendwelche Schnittstellen in Richtung von Praxissoftwarelösungen, das heißt, von dieser Prozesskette von den Patienten zur Praxis zum Therapeuten und dann mit den Krankenkassen. Da gibt es unendliche viele Schnittstellen. Vieles ist wirklich noch Steinzeit im Vergleich zu anderen Branchen, aber da konnte man relativ einfach die Prozesse automatisieren und unterstützen und dann eben auch neue Kooperationen gewinnen in dieser gesamten Prozesskette. Und sei es Patientenportale, die irgendwelche Anbindungen an Praxen bieten. Wir interessieren uns natürlich für diese Praxen, weil das unsere Kunden sind. Oder sei es auch in Richtung der Krankenkassen, wenn es darum ging, irgendwelche Klärungen voranzubringen. Wenn man Abrechnungen macht, gerade in großen Summen, gibt es immer wieder Themen, die mit den Kassen zu klären sind, unabhängig von einfachen Kürzungen, die diese regelmäßig mal machen – und das machen sie in den letzten Jahren auch sehr viel aggressiver als sonst –  sondern vor allem auch im Rahmen technischer Schnittstellen. Wir sind zum Beispiel in ein Pilotprojekt reingerutscht, einfach nur darüber, dass man ein bisschen mal untereinander gequatscht hat, dass die eine neue Schnittstelle zur digitalen Kommunikation von etwas an Feedback interessiert waren, was sonst über Fax oder Brief gelaufen ist. Das war ein Riesenschritt für uns, weil es die Arbeit unglaublich erleichtert hat und vorher die Mitarbeiterin die Hälfte ihrer Arbeitszeit lang beschäftigt hat.

Canan:

Das heißt, ihr habt das Faxgerät abgeschafft?

Michael:

Es ist wirklich traurig, aber nein, tatsächlich noch nicht. Es ist unglaublich, was im Gesundheitswesen für steinzeitliche Methoden unterwegs sind. Aber wir haben da – und da sind wir ein bisschen stolz drauf – tatsächlich keinen Scheck mehr. Es gab noch Kunden, die wirklich auf Scheck bestanden haben. Das ist undenkbar in der Realwelt, aber im Gesundheitswesen war das völlig normal in dieser Zeit. Man ist schon stolz, wenn man solche Meilensteine erreicht. Es ist gigantisch, wenn man das Postalische beiseitelegt und wirklich strukturierte Daten bekommt, die man nicht mehr einlesen und kopieren und sonst was muss, sondern die einfach am Rechner da sind und mit denen man arbeiten kann.Solche Dinge standen da an und so ergaben sich eben auch die Projekte. 

Ich sagte ja, dass die Mitarbeiterin nun die Hälfte der Zeit frei hatte und es stellte sich die Frage: “Was machen wir jetzt mit ihr? Ah, sie hat doch letztens schon mal gesagt, dass sie es total spannend fände, im Marketing mit unterwegs zu sein. Passt gar nicht zu ihrem eigentlichen Job, aber sprechen wir mal mit ihr und gucken, was sie da machen kann.” Und es stellte sich heraus, dass sie sich über Social-Media in diese Richtung orientiert hatte, das ganz spannend fand und da auch ein gewisses Talent hatte. Dann konnte sie an der Stelle jetzt mit unterstützen, um so mehr zu ihrer Zufriedenheit beizutragen und dem Unternehmen – wie gesagt, teilweise etwas angestaubt – da ein bisschen auf die Beine zu helfen. Also auch wieder eine tolle Situation für alle.

Canan:

Tolle Situation. Du und deine Mitarbeitenden sind sehr flexibel. Du hast ja jetzt immer über Veränderungen in den verschiedenen Unternehmensbereichen und Projekten erzählt. Wie ist denn der Stand der Dinge? Welche aktuellen Projekte hast du für die Zukunft? Was sind noch so die wichtigen Themen, die für dich persönlich und das Unternehmen anzugehen und zu verändern wären?

Michael:

Hm, das ist eine gute Frage. Wir haben so ein paar strategische Veränderungen, dass wir uns andere Branchen angucken. Auch da haben wir im Sinne einer Veränderung geguckt, woher das Unternehmen kommt und welche Abrechnungsdinge es üblicherweise bewegt hat. Das war natürlich stark auf die Therapeuten ausgerichtet. Dann haben wir uns angeschaut, was gibt es noch für Branchen, die ähnlich agieren, die einem ähnlichen Grundprozess folgen, das heißt, dass wir das ohne viel Umlernen und ohne komplett neue Mitarbeitende, abwickeln können. Und wir haben da ein paar Sachen gefunden, unter anderem im Automobilsektor, wo man auch irgendwo einen Unfall, einen Schaden hat, der repariert wird. Die Kassen tragen die Kosten heran, es gibt eine ganze Menge Kommunikation, es gibt eine ganze Menge Abwechslungsherausforderungen, was die Prozesse angeht und es muss Geld zwischenfinanziert werden. Genau das gleiche, gibt es auch in anderen Bereichen des Gesundheitswesens, beispielsweise im Pflegemarkt, aber eben auch in anderen Branchen. Und das schauen wir uns gerade an. Es ist wieder eine Herausforderung, was vor allem auch die Technik angeht, weil das immer wieder andere Schnittstellen sind und andere Softwareanbieter und auch leicht andere Prozesse.

Canan:

Das heißt, ihr wollt euch damit ein anderes Geldverdienfundament setzen? Spannend.

Michael:

Genau, einfach ein bisschen breiter aufstellen. Das Gesundheitswesen wird ja langfristig digitalisiert und da ist jetzt schon viele Jahre das Thema E-Rezept in aller Munde, ohne dass es irgendwo konkret in der Fläche verfügbar oder auch nur absehbar verfügbar wäre. Aber wenn das erstmal kommt, wird sich dasThema Abrechnung von der Gewichtung her ein Stück weit verändern. Da sind wir einfach dabei, uns noch weiter aufzustellen, damit wir zu gleichen Teilen verschiedene Branchen abdecken und Bewegung in den Branchen dann entspannter nehmen können.

Canan:

Welche Branchen sind denn da für euch noch interessant, außer der Gesundheits- und Automobilbranche?

Michael:

Ja, eigentlich fast alles, wo irgendwo Rechnungen gestellt werden für Leistungen und das Ganze dann deutlich zeitversetzt passiert. Wir haben natürlich gewisse Ansprüche und Anforderungen, was das Risiko angeht zum Beispiel bezüglich Ausfallrisiken. Das Baugewerbe zum Beispiel ist da ein bisschen brisanter als der Automobilsektor, weil es dort insolvenztechnisch schwieriger ist und vor allem auch die Geldbeträge deutlich höher sind pro Rechnung. Aber auch da gucken wir rein und werden uns das genau vor Augen führen und dann eine informierte Entscheidung treffen, ob das etwas für uns ist oder nicht. Denn unser Produkt, praktisch dieses Factoring, ist ein Stück weit anders als die meisten es machen. Es ist nämlich kein Kauf von Forderungen, sondern nur ein temporärer Kauf, unechtes Factoring nennt sich das. Und dadurch können wir deutlich günstiger sein als die, die das Risiko voll kaufen. Wenn man also ein Produkt hat, das zu verkaufen ist, auch Rechnungen, und da eine Finanzierung notwendig ist und man glaubt so sehr an sein Produkt, dass man die Forderungen nicht komplett loswerden möchte, sondern man sagt einfach, ok, ich hätte das Geld gern für 60 oder 90 Tage schneller, als ich es üblicherweise bekommen würde, dann sind wir der richtige Ansprechpartner, um mal zu gucken, ob man das gemeinsam auf die Beine stellen kann und um da einen Abrechnungsprozess und eine Finanzierung draufzusetzen. Und da sind wir im Vergleich zu den Großen deutlich flexibler, weil wir inhabergeführt sind, kein großer Finanzkonzern dahintersteht, der die Kennzahlen fordert, sondern wir können auch mal etwas ausprobieren, was sich dann vielleicht irgendwann als nicht profitabel herausstellt und da ein bisschen mehr Risiko eingehen und so pilotprojektmäßig das ganze flexibler angehen.

Canan:

Apropos inhabergeführt. Es ist ja auch wichtig, dass auf Geschäftsinhaberebene natürlich auch dir die ganzen Freiheiten gelassen werden, dass du wirklich agieren kannst, wie du möchtest und dass du, wenn du Ideen hast, auch keine Stolpersteine seitens der Geschäftsinhaber in den Weg gelegt bekommst. Das ist ja heutzutage auch nicht immer selbstverständlich, so dass du tatsächlich dich mit deinen Ideen im Unternehmen entfalten kannst, um das Unternehmen und die Mitarbeitenden voranzubringen.

Michael:

Ja, absolut, das ist unbedingt notwendig. Das war und ist bei der Arni tatsächlich so, denn drei von vier Gesellschaftern sind entweder selbst Therapeuten oder kommen aus diesem Bereich. Das heißt, sie haben selbst dieses Verständnis für die Kunden und sie werden auch mit vollem Enthusiasmus vertreten, was die Kunden im Endeffekt interessiert. Sie werden keine Produkte zulassen, die in irgendeiner Weise gegen den Kunden handeln. Dementsprechend war das immer eine konstruktive, durchaus auch harte Diskussion, wenn es um neue Themen und um neue Bereiche ging, aber man hat immer einen schönen gemeinsamen Weg gefunden. Jetzt nach drei Jahren kennen wir uns so gut, dass man da wirklich eine schöne Diskussion führen und komplett frei denken kann und ein gegenseitiges Vertrauen hat, damit das funktioniert. Und ich meine, die Kennzahlen belegen, dass es funktioniert, so rein finanziell, aber auch was die Mitarbeitenden angeht. Diese Vertrauensbasis ist einfach klasse und funktioniert gut. Aber wie gesagt, das ist auch absolut notwendig. Ohne eine solche Vertrauensbasis kann das nicht funktionieren. Auch das habe ich in der Karriere schon erlebt, dass, wenn aus welchen Gründen auch immer, ein Vertrauensgefüge ins wanken gerät, dann sehr schnell alles nicht mehr funktioniert. Deshalb ist eine solche Vertrauensbasis das das A und O ist für eine gute Zusammenarbeit gerade auf Managementebene und wenn es eben in diese Konstellation mit Gesellschaftern geht.

Doris:

Ja, man fühlt sich sonst wie so ein Sandwichbelag, das ist dann immer eine ganz schwierige Sache dabei. Es ist super, dass es bei dir so toll läuft. Du hast also vor drei Jahren angefangen, es läuft und du hast dich super mit den Gesellschaftern abgefunden, koordiniert und hast ein super Vertrauensverhältnis. Die Mitarbeitenden diskutieren ganz offen und frei mit dir. Das ist natürlich ein super Feedback für dich selber und auch wirklich ein indirektes Lob für alle, dass man das mit der Kommunikation und der Kultur innerhalb des kompletten Unternehmens so gut hinkriegt . Wenn du jetzt auf die letzten drei Jahre zurückblickst und so betrachtest, was so alles geschehen ist innerhalb des Unternehmens und bei dir – es gibt auch verschiedene Dinge, die sich innerhalb deines familiären Gefüges geändert hatten –  was würdest du dem Zuhörenden in einem Satz oder in einem kurzen Satz mitgeben, von dem was dich geprägt und du in den letzten drei Jahren gelernt hast? 

Michael:

Da fallen mir spontan zwei Sachen ein. Zum einen, da du das gerade so formuliert hast, das war natürlich nicht “mein” Ding. Ich war bzw. bin Geschäftsführer des Unternehmens, aber das Ganze hat nur funktioniert, weil die Leute das auch aufgegriffen haben. Natürlich nicht alle, es gibt manche Menschen, die brauchen eine sehr starke Struktur und eine starke Führung. Da mussten wir auch entsprechende Strukturen schaffen. Aber sehr viele sind über sich hinausgewachsen und haben noch einmal Ideen geäußert, wo man dachte, wie kommt denn jetzt aus der Ecke diese Idee, das passt doch überhaupt nicht. Aber es war gut und es war eine schöne Diskussion. Dadurch haben sich dann auch viele Wege der Mitarbeitenden verändert und wir haben neue Positionen finden und schaffen können. Das heißt, diese demokratische Führungskultur kann ich absolut nur empfehlen, soweit wie die Leute das dann mitgehen. Je nach Unternehmen und nach Art der Arbeit ist das sicherlich sehr unterschiedlich. Das lebt alles durch ein tolles Team und dadurch entsteht auch ein tolles Team und die richtigen Leute lassen sich dafür begeistern. 

Und das zweite ist mir jetzt entfallen.

Doris:

Das ist nicht schlimm. Also das Schlusswort über das tolle Team ist ja schon ein richtiger Hinhörer in dem Sinne, weil nur mit einem tollen Team kann man Tolles erreichen und Großes schaffen. Das ist einfach so.

Lieber Michael, vielen herzlichen Dank erstmal für den Gedanken mit dem tollen Team und zweitens für das Gespräch mit dir.

Michael:

Ja, vielen lieben Dank.

Doris:

Das war’s für heute in unserem Kajütengespräch. Vielen Dank fürs Zuhören und vergesst nicht, uns zu abonnieren und hinterlasst gerne eine Bewertung. 

Hast auch du Lust, uns in einem Kajütengespräch zu erzählen, wer du bist und was du machst? Dann melde dich bei uns unter

info@www.neue-hanse-bc.de

Bis zum nächsten Mal, bleibt neugierig und auf Wiederhören. 

Bis dann

Doris und Canan